Straßen voller Fremder von Sarah aus Herzogenrath

Wir gehen aneinander vorbei, grüßen kurz, wechseln ein paar Worte und gehen weiter. Tiefsinnige Gespräche gibt es nicht. Und wenn uns eine ältere Frau fragt, wie`s geht, sagen wir „gut“, denn wir erzählen einer fast fremden Person nicht, was uns auf dem Herzen liegt.

Aber warum ist das so?

Vielleicht, weil wir zu viele schlechte Erfahrungen gemacht haben. Weil wir wissen, dass es unzählige Menschen gibt, die uns wehtun könnten.

Vielleicht auch, weil es sie eigentlich nicht interessiert, wie es uns geht. Sie fragen aus Höflichkeit und hoffen darauf, dass wir eine positive Antwort geben, damit sie weitergehen können.

Wir gehen Fremden nicht aus dem Weg, aber lassen uns auch nicht auf sie ein.

Ist das gut?

In meinem Dorf kennt jeder jeden, also sind wir uns eigentlich nicht fremd. Wir nennen es so, weil wir keinen richtigen Bezug zu diesen Personen haben. Man trifft sich auf der Straße und unterhält sich, doch es sind auch Freunde und Bekannte, die man dort sieht.

Also wie unterscheidet man Freunde von „Fremden“?

Es kommt nicht darauf an, wie oft man eine Person sieht. Wichtig ist, wie viel Zeit man sich für sie nimmt, wenn man es tut. Wenn meine Freunde mich fragen, was bei mir so los ist, antworte ich ehrlich und erzähle ihnen von meinen Problemen. Was wird ein Fremder wohl tun, wenn ich diese Frage mit „total kacke“ beantworten würde, ihm mein Herz ausschütten würde? Wenn ich die Traurigkeit, die ich in mir trage, zum Ausdruck bringen würde?

Sie würden mich nur schief angucken und ein mitleidvolles „Oh, das tut mir Leid“ aussprechen, obwohl ihr Mitleid wahrscheinlich falscher wäre als diese Antwort „gut“.

Sarah