Böse Überraschung von Amelie aus Rees

Ich war gerade tief in meinen schönsten Träumen versunken, da riss mich ein lautes, grelles Schellen aus meinem Tiefschlaf. Ich zog mir schnell meinen Bademantel über und öffnete die Tür. Dort stand die Polizei. Ich überlegte schon, was ich falsch gemacht haben könnte, da fing der eine Polizist an zu reden: „Hallo, sind Sie Emma Winter?“ Ich konnte nur ein verdutztes Nicken hervorbringen, da fing der andere auch schon an zu reden: ,,Dürfen wir reinkommen? Wir müssen ihnen etwas sehr Trauriges sagen.“ Da drängelten sich die beiden an mir vorbei und gingen in meine Wohnung. Ich folgte ihnen, wollte wissen, worum es überhaupt ging.

Der etwas breitere Polizist ergriff das Wort: „Also … ihre jüngere Schwester Carly Winter wurde heute morgen am Bahnsteig tot aufgefunden.“

Mit einem Schlag fühlte ich mich schwach wie nie. Ich nahm meine letzte Kraft zusammen und fragte: „Was ist denn passiert? Ist sie etwa … unter den Zug gekommen? Warum, warum nur? Hätte ich ihr doch gestern nicht abgesagt. Sie hat sich so darauf gefreut.“

Für einen Moment überlegte ich, mich einfach aus meinem Hochhausfenster zu stürzen. Doch da dachte ich an meine Familie und wie sie sich wohl fühlen würde, wenn sie diese schreckliche Nachricht erfuhr. Ich grübelte noch, was um Himmels Willen geschehen war und wie meine Eltern das alles verkraften würden, da riss mich die dunkle Stimme des dünneren Polizisten unsanft aus meinen Gedanken: „Wie es aussieht, wurde deine Schwester ermordet. Erstochen.“

Das zog mir endgültig den Boden unter den Füßen weg. War diese Nachricht bisher noch nicht schlimm genug? Plötzlich verschwamm alles vor meinen Augen, ich wusste nicht, was los war.

Alles war schwarz, schwarz wie die tiefste Nacht. Aus weiter Ferne hörte ich eine Stimme. Nach kurzem Grübeln fiel mir alles wieder ein. Die Polizisten, meine Schwester. Am liebsten hätte ich meine Augen einfach zu gelassen, dennoch versuchte ich krampfhaft, sie zu öffnen.

Als ich mich gerade aufgerichtet hatte, durchbohrte mich der eine Polizist schon wieder mit einer Frage: „Ähm, hattest du da gerade eben etwas von einer Verabredung gesagt?“

Da merkte ich, wie sich Wut in mir breitmachte. Ich brüllte die Polizisten an: „Was geht Sie das an? Ich habe gerade meine Schwester verloren, und Sie … Sie quetschen mich direkt aus. Nur damit das klar ist: Gestern Abend musste ich lernen für meine Prüfung, eigentlich war ich mit Carly verabredet, aber da ich Mathe noch nicht so gut verstanden hatte, wollte ich früher anfangen zu lernen und habe meine Schwester versetzt. Und übrigens: Die Prüfung, die ich Montag schreibe, ist fürs Abitur. Da können Sie gerne bei meiner Schule anrufen.“

Die Polizisten guckten mich verdutzt an. Mit so einer Reaktion von einer heulenden, zu tiefst traurigen 18jährigen hatten sie wohl nicht gerechnet.

Ähm, also ich denke, wir gehen jetzt wohl besser, aber halten Sie sich bitte für uns zur Verfügung.“

Ich schaffte es nur noch, ein „Okay, Tschuldigung“ rauszubringen, doch da waren die Polizisten schon verschwunden.

Die nächsten Tage schlichen an mir vorbei, wie eklige, glitschige Nacktschnecken. Ich ernährte mich nur von Knäckebrot und Salzstangen, doch selbst das bekam ich nur manchmal herunter. Dann, drei Tage später, kamen die Polizisten wieder. Sie erzählten mir, dass Markus, der Freund meiner Schwester, sie umgebracht hatte. Ich muss wohl sehr entrüstet geguckt haben, denn der dünne Polizist fragte besorgt: „Willst Du Dich dieses mal direkt hinlegen?“

Ich krächzte heiser: „Nein, nein. Es ist nur, ich hätte Markus so etwas nie im Leben zugetraut.“ Nach kurzer Zeit waren die Polizisten dann auch wieder verschwunden.

Ich beschloss, wieder in meine alte Heimat zu ziehen, wo meine Familie lebte, wo meine Freunde auf mich warteten und wo ich mich wohl fühlte. Ich nahm den nächsten Zug und reiste zum abgelegenen Bauernhof meiner Eltern. Zwischen all den Feldern und Wiesen fühlte ich mich einfach am wohlsten.

Amelie