Lichter gehen aus. Das Dorf füllt sich mit Gedanken. Die Laternen, die eigentlich brennen sollten, weigern sich ein wenig Licht in all das zu bringen.
Mein Zimmer. Ohne Lichter. Dunkelheit. In mir. Um mich herum. Überall. Umschlingt mich. Lässt mich nicht los. Erdrückt mich. Lastet wie ein Stein auf meiner Seele.
Mein Bett. Kaum zu erkennen. Kalt. Noch nicht warm genug, um sich ein zu kuscheln.
Saugt die letzte Wärme aus mir heraus. Gibt sie nicht wieder her. Lässt mich liegen. Umhüllt von kalten Lacken.
Dunkelheit in mir. Steigt auf. Schwarze Gedanken umhüllen meinen Kopf mit Fragen. Mit Wünschen, die mich hoffen lassen. Sie durchleben meine Körper. Von oben bis unten.
Der Raum zu beengt für dies.
Nein.
Lasst mich los.
Nur für diese eine Nacht.
Lasst mich in Ruhe.
Lasst mich gehen.
Ich hasse es hier. Wieso nur Mama und Papa? Wieso musstet ihr hier leben? Hier in diesem Dorf. Nicht mal die Laternen funktionieren. Wisst ihr wie das für mich ist? Kein Licht zu sehen. Irgendwo. Jeden Abend das gleiche Spiel. Jeden Abend die gleichen Gedanken. Gedanken, die mir viel zu große Angst machen. Gedanken, die an mir nagen. Gedanken scheinen mich von innen aufzufressen. Gedanken, alleine zu sein. Euch nicht mehr zu haben. Jeden Abend die gleichen Wünsche. Wünsche, hier weg zu kommen. Vielleicht. Irgendwann einmal. Wünsche, euch mitzunehmen. Euch nicht zu verlieren. Wünsche, nicht jeden Tag zu merken, wie anders ich bin. Einmal dazu zugehören. Wünsche, das Gefühl zu bekommen, einmal akzeptiert zu werden.
Mama, Papa hört mir zu. Ich liebe euch. Doch das ist zu viel. Keine Lichter. Keine Helligkeit. Nicht nur in mir. Sondern überall. Warum bemerkt ihr es nicht?
Mama, Papa, wisst wir, was mein größter Wunsch ist? Einmal ein Schmetterling zu sein. Vielleicht ein Zitronenfalter. Einmal frei zu sein. Einmal zu fliegen. Dahin, wo ich will. Nicht erdrückt zu werden. Von Blume zu Blume zu fliegen. Von Ast zu Ast. Und bewundert zu werden. Geliebt zu werden. Nicht nur von euch. Einmal meiner Größe zu entsprechen. Einmal fliegen können. Mama, Papa, ich möchte fliegen können. Durch die Wälder. Die Blumenwiesen. Nicht verurteilt zu werden. Nicht blöd angeglotzt.
Mama, Papa hört mir zu. Ich liebe euch. Doch das kann ich nicht alles. Ich bin kein Schmetterling. Ich bin nicht frei. Ich kann nicht fliegen. Nicht durch die Wälder. Nicht über Blumenwiesen. Ich werde verurteilt. Jeden Tag. Ich werde angeglotzt. Jeden Tag. Ich gehöre zu nichts. Bin meine eigene Gruppe. Bin allein. Gefangen. Umhüllt von der Dunkelheit.
Aber glaubt mir, ich überlebe es.
Glaubt mir, wenn die Sonne wieder scheint, geht es mir wieder gut.
Glaubt mir, ich lerne zu fliegen. Und wenn ich es kann, Mama und Papa, wenn ich es geschafft habe, dann nehme ich euch mit. Nehme euch mit durch die Wälder und über die Blumenwiesen. Ich lasse euch nicht allein. Genauso wie ihr es bis jetzt nicht einmal getan habt.
Mama und Papa, ich liebe euch. Bevor ihr schlafen geht, müsst ihr das wissen. Ich liebe euch und wisst ihr was, Mama und Papa, ich lerne es für euch.
Und jetzt.
Gute Nacht.
Gute Nacht, Dunkelheit. Bis morgen Abend.
Gute Nacht, Gedanken.
Gute Nacht, Ängste.
Bis morgen Abend.
Ich werde euch nicht vermissen, wenn die Sonne die Dächer im Dorf küsst.
Wir sehen uns wieder. Zur gleichen Zeit am gleichen Ort.
Bis morgen.
Alice