Ungerechtigkeiten von Malte aus Würselen (Herzogenrath)

Der sechzehnjährige Larai lebte schon sein ganzes Leben lang in Würselen, einem kleinen Dorf östlich der Wurm, welches von Bauern bewohnt wurde. An manchen Tagen wie diesem kamen Durchreisende aus verschiedensten Regionen in dieses kleine, unscheinbare Dorf, um sich mit Proviant (etwa halb verdorbene Äpfel) und Ausrüstung (schartige Schwerter oder alte hundertjährige Zelte) zu versorgen. Die Einwohner des Dorfes tauschten dann auch Waren und Informationen mit den Händlern, Jägern, Barden, Sängern, Schreinern oder Kriegern.

Zusammen mit seinem besten Freund Marcus saß Larai auf einem der großen Holzfässer, die schon seit Jahren am Rande des kleinen Dorfplatzes standen. Gemeinsam betrachteten sie das rege Treiben um die verdreckten Planwagen herum. Vor einigen Jahren waren diese Planwagen noch bunt und man konnte in ihnen leben oder sie als Verkaufsstände nutzen. Dieses Mal waren sie jedoch löchrig und stanken nach Unrat. Es sah so aus, als wären sie von einer Armee von Motten zerfressen worden, die mehr Hunger hatten als der Dorfvorsteher Ogor, der alle anderen Dorfbewohner ständig drangsalierte und ihnen ihr Leben zur Hölle machte. Einen Großteil des Goldes behielt er für sich, anstatt es, wie ein richtiger Dorfvorsteher, für die Befestigung des Dorfes und für die Versorgung der Dorfbewohner auszugeben. Früher fragte sich auch Larai, wie er diese Methoden anwenden konnte, ohne, dass die Dorfbewohner ihn stürzten.

Er hatte Macht. Diese Macht hatte er durch die beiden Nordmänner Cares und Orsan, die in jeder Sekunde an seiner Seite waren, um ihn vor den nicht vorhandenen Gefahren zu schützen. Woher sie kamen, wusste er nicht, aber dass sie gefährlich waren, gefährlicher als jeder andere im Dorf, sah man direkt. Sie beide waren riesige, hünenhafte Krieger, übersät mit Narben, die aus bereits bestrittenen Kämpfen stammten. Orsan besaß eine gewaltige, grobschlächtige Axt, mit der er vermutlich schon einigen erfahrenen Männern ihre Köpfe von den Schultern geschlagen hatte. Cares aber war Besitzer eines riesigen Speeres, der insgesamt vermutlich über zehn Fuß maß. An seiner Spitze war eine verrostete Metallklinge angebracht, mit der er ohne Mühe zwei Äpfel aufspießen konnte. Sie beide sahen aus wie Ochsen und hatten Arme, die so groß waren wie Larais Oberschenkel. „Sieh mal da!”, rief Marcus. Larai drehte sich: „Wo? Was?” Dann sah er es; auf dem Marktplatz, neben dem kleinen Brunnen zwischen zwei Marktzelten standen sich zwei Personen, umringt von einer wachsenden Menge und stritten sich lautstark. Erst nach längerem Hinsehen erkannte er, wer diese Personen waren; der eine war der Dorfvorsteher Ogor und die andere Person war schwer zu erkennen, da sie von den beiden Nordmännern verdeckt wurde.

Du wirst jetzt augenblicklich bezahlen!”, hörte man Ogor mit seiner hohen Stimme, die niemand ernst nahm, keifen. „Warum soll ich für etwas bezahlen, was mir bereits gehört? Ich dachte, wir wären in einem Dorf, in dem niemand beraubt oder erpresst wird.” „Hier wird niemand beraubt, wir versuchen lediglich, den Handel mit den Händlern aufrecht zu erhalten. Sie verkaufen uns Dinge und wenn wir kein Geld haben, diese zu kaufen, müssen wir eben tauschen und jeder einzelne Dorfbewohner hat die Pflicht, etwas zu diesem Handel beizutragen. Wenn er dies jedoch nicht tut, muss ich einschreiten und dafür sorgen, dass jeder seinen gerechten Anteil beiträgt!” Daraufhin verließ Ogor mit erhobener Nase und einem breiten Lächeln auf den Lippen den Schauplatz der Ungerechtigkeit. Seine beiden Gefolgsleute eilten ihm ohne zu zögern schnell hinterher.

Nun teilte sich auch die Menge und man sah einen am Boden liegenden, über sein Schicksal weinenden, alten Mann, der schluchzend immer wieder auf den Boden einschlug und ihn anschrie: „Warum? Was habe ich dir getan, dass du mich so bestrafst, Gott? Warum?” „Garbo?”, fragte Larai.“Bist du das? Was ist geschehen?”

 

 

Malte