„Veronica, hilf mir mal!“ Mein Vater riss mich aus meinen Tagträumen.
„Jeden Tag der gleiche Mist!“ Ich stand vom Boden auf und lief rüber zu meinem Vater aufs Kartoffelfeld. Ich war fast bei ihm angekommen, da fing sich alles um mich herum an zu drehen. Ich kniff die Augen zusammen und fasste mir an den Kopf. Als ich sie wieder öffnete, erschrak ich. Ich stand am Rande einer kleinen, mir unbekannten Brücke. Aufgrund des Schwindelgefühls taumelte ich zurück und stieß gegen einen Jungen. Dieser ließ vor Schreck sein Handy fallen und schnautze mich an: „Ey, geht’s noch?“
„Äh, Tschuldigung … ich hob sein Handy auf, gab es ihm und schaute zu ihm auf. Wir sahen uns einen Moment schweigend an. Ich schaute in seine wunderschönen Augen. Dann räusperte ich mich und fragte ihn: „Wo sind wir hier überhaupt?“
Er runzelte die Stirn und sah mich fragend an. Ich ergänzte schnell, dass ich mich verlaufen hatte. Er kratze sich am Hinterkopf: „Ja, also wir stehen hier auf der Lido di Venezia. Da hinten um die Ecke und du bist auf dem Hauptplatz von Venedig. Aber jetzt muss ich wirklich weiter.“ Ich entschuldigte mich noch mal für den Unfall mit dem Handy und bedankte mich für seine Hilfe. Als er wegging, drehte er sich noch mal um und rief: „ Ach übrigens, ich bin Alex.“ Er grinste mir lässig zu und lief davon. Ich schaute ihm verträumt hinterher und bemerkte erst gar nicht, wie eine Menschenmasse aus Paparazzi hinter mir auftauchte. Sie verfolgten eine aufgetakelte Frau, die sie „Miss Leonora“ riefen. Ich stand wie angewurzelt da, als Miss Leonora mich ansprach und sagte: „Liebes, wie siehst du denn aus?“
Ich guckte sie erstaunt an, da es für mich ganz normal war, eine löchrige Hose und ein verschmutztes T-Shirt zu tragen. „Äh, warum?“ Erst dann bemerkte ich, wie elegant alle anderen hier gekleidet waren und fühlte mich plötzlich unwohl.
„Komm mit zu mir nach Hause, da können wir in Ruhe reden und du bekommst neue Kleidung von mir.“
Ich wusste gar nicht, wie mir geschah, als sie mich mitzog. Als wir ihr Apartment betraten, blieb mir vor Staunen der Mund offen stehen. Der ganze Raum war vollgestellt mit selbst designten Kleidern. Es gab einen Teil mit Kleidern voller Edelsteine und Glitzer, einen weiteren Teil mit Kleidern aus feiner Seide und noch viele andere Kleider mehr. Sie gab mir das schönste Kleid, was sie besaß. Es war hellblau, mit einer Menge Tüll und am Dekolleté war es mit silber funkelnden Edelsteinen besetzt. Ich zog meine alten Sachen aus und streifte es über. Als ich mich im Spiegel betrachtete, war ich fassungslos. Ich fühlte mich wie eine Prinzessin. Doch als ich mich gerade bei ihr bedanken wollte, fing wieder alles um mich herum an, sich zu drehen, und bevor ich irgendwas sagen konnte, stand ich plötzlich wieder in der Matsche auf unserem Kartoffelfeld. Mein erster Gedanke: „Igitt!“ Und mein zweiter: „Oh nein, das schöne Kleid!“ Ich versuchte, aus dem Matsch rauszukommen, ohne das Kleid zu verschmutzen. Erst dann bemerkte ich meinen Vater, der wie angewurzelt da stand und mich anstarrte, als sei ich eine Illusion.
„Wo warst du denn? Und was hast du überhaupt an?“, fragte er einer Weile.
„Es ist schwer zu erklären!“, sagte ich. Daraufhin rannte ich weg. Es fiel schwer, da ich einige Male über den Tüll meines Kleides stolperte. Ich war verzweifelt und plötzlich liefen mir Tränen über die Wangen. Bald war ich in meinem Geheimversteck im Wald angekommen. Dort konnte ich über das nachdenken, was gerade passiert war. Die Stille im Wald beruhigte mich langsam. Nach einer Weile kroch ich aus meinem Versteck und machte mich auf den Heimweg. Ich dachte den ganzen Weg darüber nach, wie ich es meinem Vater erklären sollte. Bevor ich ankam, fasste ich den Entschluss, meinem Vater nichts von dem Ortswechsel nach Venedig zu erzählen. Es war bereits dunkel geworden und mein Vater war auf der Couch eingeschlafen. Ich schlich in mein Zimmer, zog das Kleid vorsichtig aus und versteckte es unter meinem Bett in einer Kiste.
Dann zog ich meine alten Sachen wieder an und fiel erschöpft ins Bett.
Am nächsten Morgen strahlte die Sonne und ich beschloss, Frühstück zu machen. Mein Vater saß bereits am Küchentisch mit einer Tasse Kaffee. Ich kam rein und er fragte mich, was da gestern geschehen war.
„Was soll denn gestern passiert sein?“
„Ich bat dich, mir zu helfen und plötzlich warst du verschwunden. Nach drei Stunden bist du auf einmal wieder aufgetaucht, in einem seltsamen blauen Kleid.“
Scheiße, was soll ich denn jetzt meinem Vater sagen?, dachte ich. Ich stotterte ein paar Sätze heraus, die ungefähr so klangen wie: „Keine Ahnung, wovon du redest. Äh, du warst gestern einfach nur erschöpft von der ganzen Arbeit. Das hast du bestimmt nur geträumt.“
Mein Vater schaute mich skeptisch an, sagte aber nichts mehr. Ich nutzte die Gelegenheit und zog mich mit einem Toast und und einem Orangensaft auf die Veranda zurück. Ich setzte mich auf das Geländer und dachte an die die rehbraunen Augen von Alex. Ob ich sie wohl jemals wieder sehen könnte? Plötzlich erklang ein lautes Scheppern aus der Scheune. Ich schreckte auf und verschüttete den Orangensaft auf meiner Hose. Dann folgte ich dem Geräusch und entdeckte Marc mit einer Platzwunde auf dem Boden liegen.
An dieser Stelle endet die Geschichte auf diesem Blog vorerst. In der Schreibwerkstatt sind wir noch nicht weitergekommen, aber wir wollen die Geschichte auf jeden Fall weiterschreiben.
Paulina und Hannah