„In Bornheim!“ antwortete ich auf seine Frage, wo ich denn wohne.
„Waas, in diesem langweiligen Kuhdorf? Gibt es da überhaupt irgendwas, was sich Bus und Bahn nennen darf?“
„Nein, wir haben noch Postkutschen und Dampfloks. Und erst seit zwei Jahren Strom. Boah…“
Blödmann..
Augenblicklich wurde ich ziemlich wütend auf ihn. Ich meine, natürlich ist das Städtchen, in dem ich wohne, keine Großstadt wie Köln oder Berlin, das ist mir schon klar, aber das gab diesem Schlaumeier doch nicht das Recht, meine Heimatstadt zu beleidigen.
Ich finde es nämlich ziemlich ok hier, es hat was zu bieten, wenn es auch nicht riesig viel ist.
Es gibt Fußballplätze – ich spiele Fußball und bin die Torhüterin und Kapitänin unserer Frauschaft – , ein Schwimmbad und ein Freibad, ein paar Schulen, Kindergärten, mehrere Büchereien (Ich lese sehr gerne!), Bahn- und Buslinien, wenn auch nicht soo gute, Fitnessstudios, viele Restaurants, Pommesbuden.
Wir haben sogar ein „Miss Pepper“, von denen es in ganz Deutschland insgesamt nur zehn Filialen gibt, dazu schöne Wanderwege und den Rhein gibt es auch.
Und der will mir sagen, dass das hier ein Kaff ist. Also bitte!
Natürlich können wir mit einer großen Stadt nicht mithalten.
Nur: muss man das immer?
Klar fehlt uns ein richtiges Fußballstadion, ein Kino, Shopping Malls, ein Jumphouse. Aber, mal unter uns, wer braucht ein Jumphouse in seiner Stadt? Herumspringen kann ich auch so. Kostenlos.
Meist ist es bei uns ruhiger, gemütlicher, es gibt viel Natur, frische Landluft.
Ja, wenn die Bauern im Frühjahr ihre Felder düngen, riecht es nach…na, ihr wisst schon.
Normalerweise gibt es viel frische Landluft.
Mein Ärger war noch nicht ganz verschwunden, aber durch die „Was ich gut finde-Liste“ in meinem Kopf schon weniger geworden.
Ich blickte ihn an, schaute ihm ganz tief in die Augen.
„Wie heißt du eigentlich?“ fragte ich ihn.
„Liam.“
„Aha, Liam.“
„Und du?“, fragte er.
„Daria.“
„Ach, wie die Automarke?“
„Nein, die heißen Dacia. Mit c.“
Und ich wurde wieder wütender. Ich meine, er ist ein Fremder, kennt hier nichts, hat keinen Plan und disst mein „Home Sweet Home“. Seit gut zehn Jahren wohnte ich jetzt hier und langweilig war mir noch nie geworden. Wirklich nicht. Ja, es könnte noch öder sein. Wie so ein Dorf in der Eifel zum Beispiel.
„Mal ehrlich, Liam, ich find´s nicht ok von dir, so abzulästern. Macht mich wütend. Halt dich mal ein bisschen bedeckt, mein Lieber, mach dich mal schlau, was es hier alles gibt und dann reden wir zwei nochmal.“
Ihr fragt euch jetzt bestimmt: Warum setzt die sich so für ihre kleine Stadt ein?
Wenn ich ehrlich bin, dann habe ich vor Liam noch nie so richtig über Bornheim nachgedacht.
Ihr über eure Stadt wahrscheinlich auch nicht, vermute ich.
Vielleicht, weil ihr mal umgezogen seid, so wie ich. Dann stellt man Vergleiche an.
Und jetzt kommt dieser vorlaute Fuzzi und ich gerate ins Nachdenken.
„Warum bist du denn so zickig, Daria, ich frag doch nur?“
„Nein, du hast Vorurteile, Liam. Ich hasse es, wenn Leute Vorurteile haben. Und wenn Leute Blödsinn erzählen, wenn sie null Plan haben.“
„Es ist doch nur eine Stadt…“ versuchte er sich herauszureden und die Wogen zu glätten.
„Nein, Liam, es ist nicht nur einfach so eine x-beliebige Stadt, es ist MEINE Stadt, auf die ich mich freue, wenn ich aus dem Urlaub zurückkomme, wo ich gerne bin. Meine Freundinnen und Freunde wohnen hier, hier ist mein Zuhause.“
„Ok, ok, ja, Daria, du hast ja recht. Mir geht es eigentlich genauso, wenn ich an mein Dorf in Schottland denke. Pennan. Die haben sogar mal einen Film bei uns gedreht.“
„Na, siehst du. Wie wär´s übrigens mit einer Runde Fußball, my friend? Lass mal sehen, was du beim Kicken so drauf hast!“
Dann zogen wir beide los, auf unseren Bolzplatz am Stadtrand.
Daria