Pulheim. Stadt, Land, kein Fluss. Der Rhein fließt in Köln. Und dorthin wollen alle. Die Jugendlichen hängen nicht ab am Friedhof, hängen nicht ab an den Parks, sie hängen meist daheim ab. Auf dem Skaterplatz war gar niemand. Ein paar kleine Kinder der Flüchtlinge aus dem angrenzenden Heim schauen durch die Absperrung auf den Platz, sonst nichts. Die Behausungen sind zum Zuhause geworden. Wäscherecke an der Außentreppe, ein paar Gardinen. Die Fenster und Türen schauen auf der einen Seite hinüber zu den Tennisplätzen, auf unserer Seite zum Skaterpark. Ein Mann mit einem Hund sagt, dass ab und an mal ein paar Flüchtlingskinder über die Rampen laufen. Und sonst? Es gibt noch das Pogo, ein Jugendzentrum, aber das macht gerade Urlaub. Wir fahren hin. Nur ein Mann ist heute da und hilft ehrenamtlich Flüchtlingen.
Wir sollen zum Park am Nordfriedhof, sagt ein weiterer Mann auf der Straße. Er ist der zweite, der uns diese Auskunft gibt. Wir fahren also dem Handy nach zum Park durch eine Siedlung mit Einfamilienhäusern. Neue Autos von teuren Marken vor Häusern, für die mindestens drei arbeiten müssen, damit der Kredit zurückgezahlt werden kann. Oder Geld wurde vererbt. Die Mülltonnen schließen dicht und vermutlich kosten die Carports mehr als ein Containerhaus der Flüchtlinge. Wir gelangen an das Ende der Siedlung und stehen vor einem Feld. Hier ist der Park, sagt das Handy. Fünfzig Meter über die Ähren hinweg sehen wir den Friedhof, Jugendliche sehen wir nicht. Das ist nicht der Parkeingang. Wir fahren wieder dem Handy nach. Ein Hund bellt sich die Kehle wund, weil wir zu nah an seinem Zaun vorbeiradeln. Wir stoßen auf zwei siebzehnjährige Mädchen – vermutlich Gymnasiastinnen. Was denn hier los sei? Ja, alles ist anonym, keine Sorge, sie könnten ruhig erzählen. (Siehe Geschichte: „Nichts los seit Corona“) Zusammengefasst: Während Corona war draußen was los, jetzt nicht mehr.
Sie raten uns zu einem anderen Treff, wo Jugendliche sein könnten. Diesmal fahren wir nicht dem Handy, sondern ihrer Beschreibung nach. Und kommen auf eine Kreuzung mit Kapelle und dahinter angrenzendem Park. Ist das der Treff? Es ist der Barbarapark, wie wir später erfahren. Da hängen vier Jugendliche ab. Nein, auch sie wollen nichts erzählen, es gebe nichts zu erzählen. Trotz all ihrer Langeweile haben sie nicht gelernt, über Langeweile zu reden. Sie rauchen den Tag auf. Langeweile, wenn der Tag aus Zigarettenlängen besteht und du nicht weißt, was du mit Ferien machen sollst, dann …, ja, was dann? Zur Realschule gehen sie. Früher hatte Realschule ein Ziel, heute sind dort all jene, die es nicht aufs Gymnasium geschafft haben. Sie hängen hier ab. Und sie sind sich ihrer Langeweile bewusst und kämpfen mit Sprüchen und Scherzen dagegen an. (siehe Text „Keine Polizei“)
Ob es noch einen Punkt in Pulheim gebe, der sich anzufahren lohnt? Am Penny. Aber da würden die Hängengebliebenen abhängen, die seien schon älter, viel Älter und mit ihnen sei nicht gut Kirschenessen. Nein, Kirschenessen haben sie nicht gesagt. Sprachbilder waren nicht ihr Ding, und schon gar nicht so altbackene. Wir hatten einige Zigarettenlängen bei ihnen verbracht und den Verkehr gehört. Sonst war da kein Dezibel, nur der Lärm des Verkehrs, kein Jugendlicher, der über die Stränge schlägt. Pulheim ist ordentlich – genau wie der Friedhof, Grab an Grab. Und kein Papier auf der Straße. Ist das eine Stadt oder Land, Provinz, Neubauleben, jedenfalls gibt es keinen Fluss, denn der Rhein fließt woanders. Irgendwo muss der Pulheimer Bach sein – das haben wir gelesen -, ein Bachsystem um Pulheim herum soll es sein, vorbildlich renaturiert, wo Frösche und Enten leben.
von Emilia und Manfred T.